West-Ost-Passage unterm Regenradar
Mit einem lachenden und einem weinenden Auge hieß es Abschied nehmen von Bergen. Gerne wären wir noch ein paar Tage geblieben, doch diesmal stand die große West–Ost-Passage an – unser Ziel: Skien, wo wir ein Haus eines Freundes hüten und erstmals die dortige Angellandschaft erkunden wollten.
Jagd nach einem trockenen Nachtplatz

Die Wetterlage machte die Planung allerdings knifflig: Zwei große Regengebiete sollten den Süden Norwegens überqueren. Mithilfe des Regenradars suchten wir nach einem Platz, der wenigstens etwas Schutz versprach – fündig wurden wir zwischen Skare und Håra am Folgefonna Nationalpark. Und auch zeitlich lag es etwa auf der Hälfte der Strecke.

Die Fahrt dorthin bot reichlich Panorama: Fähre über den Hardangerfjord, ein grünes Wildflusstal und der bekannte Zwillingswasserfall Låtefossen, dessen Kraft durch den Regen noch eindrucksvoller wirkte.
Regenradar führt uns zu neuen Bekanntschaften
Der Platz, den wir uns ausgesucht hatten, lag zwischen zwei Tunneln, geschützt von einem Bergmassiv. Laut Regenradar bestand die Hoffnung, dass sich die dunklen Wolken auf der anderen Seite des Berges festhängen würden. Als wir ankamen, stand jedoch bereits ein Wohnmobil dort. Sollte unser Plan also scheitern?
Wir hielten ein paar Meter entfernt am Straßenrand, und ich ging zu Fuß hinunter, um mit dem Ehepaar zu sprechen. Das Kennzeichen verriet schnell, dass sie aus England kamen. Ich erklärte freundlich, dass wir uns diesen Platz wegen der Wettersituation ausgeguckt hätten, aber natürlich weiterfahren würden, um die Idylle nicht zu stören. Doch die beiden reagierten herzlich: Am Tag zuvor hätten sogar drei Camper hier gestanden – es sei also überhaupt kein Problem, wenn wir uns dazustellen würden. Dankbar nahmen wir das Angebot an und stellten Gary dazu.
Stimmen vor dem Zelt

Ein kurzer Regenschauer zwang uns noch ins Auto, doch danach konnten wir das Zelt aufklappen. Die Hartschale stellten wir in den Wind, die Fenster blieben geschlossen. Recht früh krochen wir in unser gemütliches Nest, lasen noch ein wenig und schliefen bald ein.

Gegen 21 Uhr rissen uns Stimmen aus dem Schlaf: „Hello! Hello!“ Erschrocken öffneten wir den Eingang des Zeltes. War etwas passiert? Brauchte jemand Hilfe? Vor uns stand die nette Dame aus dem Wohnmobil – nicht etwa, weil sie Hilfe brauchte, sondern im Gegenteil: Mit einem Lächeln reichte sie uns zwei Wärmflaschen ins Zelt. In erstaunlich gutem Deutsch erklärte sie, dass die Nacht sicher kalt werden würde. Wir waren sprachlos vor so viel Freundlichkeit. Diese kleine Geste war in der feuchten, kühlen Nacht ein großes Stück Herzlichkeit – einfach megalieb! Natürlich bedankten wir uns und fragten uns unweigerlich: Hätten wir das auch gemacht?
Dauerregen und neues Zuhause auf Zeit

Bald schliefen wir wieder ein. Am Morgen konnten wir das Zelt, nur leicht feucht von den nächtlichen Schauern, noch rechtzeitig vor dem großen Regen einpacken. Nachdem wir die Wärmflaschen mit ein paar Dankesworten in einer Plastiktüte vor die Tür des Wohmobils gelegt hatten, fuhren wir los. Ein kurzer Kaffeestopp im Trockenen war uns vergönnt, dann begleitete uns Dauerregen quer durchs Land bis nach Skien. Dort freuten wir uns angesichts des Wetters auf ein paar Tage mit festem Dach über dem Kopf.
Nachdem wir ausgepackt, uns eingerichtet und Wäsche gewaschen hatten, gönnten wir uns noch eine Kleinigkeit zu essen. Dann fielen wir müde ins Bett.
Süßwasser statt Fjord
Auch der nächste Morgen begrüßte uns mit Dauerregen. Also verschafften wir uns mit Google Maps erst einmal einen Überblick über die Gegend. Wir stellten fest, dass Skien – obwohl am Fjord gelegen – gerade auch im Süßwasserbereich angeltechnisch einiges zu bieten hat. Also ging es ins örtliche Jagd- und Outdoorgeschäft.

Von dem netten Verkäufer bekamen wir prompt eine Wochenlizenz für die Gewässer des Grenland Sportsfiskere Verbandes – inklusive Karte und dem Tipp, dass an Wochenenden die Schranken zu den Bergseen geöffnet sind. Und tatsächlich: In den folgenden Tagen streiften wir über Schotterwege durch endlose Wälder, hielten an türkisblauen Seen und reißenden Bergbächen, warfen die Ruten in Gumpen und Pools aus – und genossen die Abgeschiedenheit dieser Bilderbuchlandschaft. Mehr Details zu den einzelnen Gewässern erfährst du, wie immer, in unseren Revierberichten:
Ein Tag an der Flakvarbukta

So sehr uns das Süßwasserfischen in seinen Bann zog, probierten wir dennoch einen Meeresspot an der Ostküste. Ein ganzer Tag wurde der Flakvarbukta reserviert, da sie direkt vor der Haustür lag (hier geht's zum Revierbericht). Am hauseigenen Steg nahm ich mir vor, einmal den Grund mit der Faulenzer-Methode abzusuchen. Da es an jenem Tag nahezu windstill war und der Grund hier frei von Hindernissen war, konnte ich stundenlang ohne Hänger den Pilker über den Grund „hüpfen“ lassen.

Das Ergebnis? Offenbar war ich in die Kinderstube einer Wittlingsfamilie eingedrungen. Im Laufe des Tages hatte ich bestimmt 20 Wittlinge am Haken, die kaum größer waren als der 60g Pilker – leider alle zu klein für die Küche. Dazwischen überraschten uns immer wieder kräftige Makrelen über 40cm, deren Drill aufregend war – drei davon landeten am Ende auf dem Grill, der Rest im Freezer.
Neben diesen Fängen kam noch ein kleiner Bonus: Ein Biss, der sich anders anfühlte als bei den Makrelen. Kurz, kräftig und kontrolliert. Beim ersten Blick auf den Fisch dachte ich an eine Meerforelle, doch die kurze Maulspalte und die stark eingekerbte Schwanzflosse verrieten: Es war ein kleiner Lachs! Für die Küche etwas klein, aber als Erlebnis ein unvergesslicher Fang.
Falls du diese Spots selbst erleben möchtest, können wir dir unsere Unterkunft wirklich empfehlen. Dich erwarten ein herzlicher Gastgeber, ein Fensterblick direkt auf den Fjord, ein eigener Steg (auf Wunsch sogar mit kleinem Boot) und eine perfekte Lage – zwischen Salz- und Süßwasser, zugleich naturnah und doch stadtnah. Hier geht's zum Angebot auf booking.com
Einladung nach Risør
Doch schon tat sich die Tür zur nächsten Etappe auf: Eine vietnamesische Freundin schrieb uns über WhatsApp: „Ich komme diese Woche nach Risør und besuche Steinar und chị Kha. Bitte kommt nach Risør. Steinar liebt auch fischen. Bei ihm gibt es Schlafoptionen. Chị Kha hat gestern über euch gesprochen. Wir würden uns sehr freuen.“

Nachdem wir also die letzten Abende für Blutmondfotos und ein paar Aktivitäten mit unserem Gastgeber genutzt hatten, der inzwischen zurück gekehrt war, galt es, zu neuen Ufern aufzubrechen. Da Risør genau auf unserem nächsten Streckenabschnitt in den Süden lag und unsere Weiterreise auch genau in diesen Zeitraum fiel, nahmen wir die Einladung gerne an. Mehr zu diesem Trip gibt’s dann im nächsten Bericht.


