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Gummifische gießen DIY – Eine Hospitation in Kevelaer

Nach mehr als 15 Jahren war ich mit Yoschko, einem alten Bekannten, wieder in Kontakt gekommen. Er hatte zwischenzeitig mit dem Angeln angefangen und seinem neuen Hobby den Insta-Account yosch_goes_fishing gewidmet (Folgen lohnt sich!). So trafen wir zufällig wieder aufeinander und es war wohltuend, den alten Kontakt wieder zu beleben, nicht nur, weil wir nun das gleiche Hobby teilten. Nichtsdestotrotz wurde ich hellhörig, als ich erfuhr, dass er dabei ein spannendes, neues Terrain betreten hatte. Mit Hintergrund im Bereich Industriemechanik hatte er damit begonnen, seinen Hang zum Tüfteln, seine Kreativität und sein handwerkliches Geschick im wahrsten Sinne des Wortes „in Form zu gießen“ und seine eigenen Gummiköder zu gießen. Entsprechend hoch begeistert nahm ich die Einladung an, seiner Hobby-Werkstatt in Kevelaer einen Besuch abzustatten und beim Gummifische gießen DIY zu hospitieren. Selbstgefangenen Fisch zu essen ist schon ein besonderes Gefühl, ihn dann auch noch mit einem selbst gebauten Köder zu überlisten ist die höchste Kunst!

Die Werkstatt

Im Oktober diesen Jahres war es dann so weit. Wir hatten einen Termin vereinbart, um gemeinsam sämtliche Arbeitsschritte – vom Entwerfen einer Gussform bis hin zum Fangen eines Zanders mit unserem selbst hergestellten Gummifisch –zu durchlaufen und alles ausführlich zu dokumentieren. Fasziniert betrat ich den Geburtsraum der Gummiköder…


Die Wand war gespickt von Zeichnungen und unzählige Gummifischarten und Farbtöpfchen zierten den Arbeitsbereich – stumme Zeugen etlicher Experimente, die bereits in einer finalen Gummifischserie gemündet waren, die mittlerweile regelmäßig gegossen und am Wasser erfolgreich gefischt wird.

Schritt 1 – Erstellen der Gussform

Der Drucker

Es begann damit, dass Yoschko eine am Computer designte Gussform mit einem 3D-Drucker ausdruckte. Bei dem Gerät handelte es sich um einen SLA-Drucker, also einen Kunstharzdrucker – genauer gesagt um das Modell Anycubic Photon Mono X. Das ist ein Gerät, das schon recht groß drucken kann und als Druckmaterial UV-aushärtendes Harz verwendet.


Das Rohmaterial

Da eine Gummifisch-Gussform bis zu 180°C aushalten muss, verwendete er ein entsprechend hitzeresistentes Hochtemperatur-Resin. Im Vergleich zu anderen 3D-Druckverfahren führt dieses zu einem extrem sauberen Druckergebnis: Beim Endprodukt sind einzelne Lagen fast gar nicht zu erkennen.


Die Software

Die mit der Freeware Lychee Slicer erstellte .pwmx-Datei der digitalen Gussform, die in den Drucker gejagt werden sollte, war übrigens das Ergebnis von eineinhalb Jahren Corona-Schonzeitvertreib! Gemeinsam mit einem Kumpel hatte Yoschko entworfen, geformt, gedruckt, angepasst und immer weiter verfeinert, um ein Ergebnis zu finden, das einen natürlichen, visuellen Reiz darstellt und gleichzeitig die Seitenlinienorgane der Fische anspricht.


Der Druckprozess

Schließlich wurde das Maschinchen angeschmissen und der Druckvorgang des aus 428 Einzelschichten bestehenden Objektes startete sein 90 Minuten dauerndes Intermezzo. Klingt lang, doch das ist immer noch deutlich schneller als andere 3D-Drucktechniken.


Die Alternativen

Alternativ zum Design am Bildschirm kannst du natürlich auch ein physisches Köderfischmodell erstellen, z.B. aus Holz, um es dann mit einem 3D-Scanner zu digitalisieren und weiterzuverarbeiten. Für solch ein Gerät müsstest du aber schon ziemlich tief ins Portemonnaie greifen. Du kannst auch komplett ohne Computertechnik vorgehen und von dem physischen Modell einen Abdruck in Gips oder Silikon machen, um dieses dann als „Negativ“ zum Gießen zu verwenden.


Der große Vorteil der Computertechnik: Am PC erstellte Ködergussformen können ohne design-technischen Mehraufwand ganz easy in unterschiedliche Größen skaliert und gedruckt werden.

Insidertipp: Greife zum Start deines Gummifisch-DIY-Projektes auf fertige Gussformen zurück. Übe damit erstmal das Gießen und das Kolorieren, bevor du eigene Gussformen erstellst. Ein besonders heißer Tipp ist die große Auswahl an DIY-Gussformen bei Etsy*. Hochwertige Alu-Gussformen erhältst du von unserem Partner raubfischfreund.de . Ein wenig günstiger sind hitzebeständige Kunststoff-Gussformen anderer Anbieter. Hier findest du eine kleine Auswahl an Produkten:

Schritt 2 – Gießen der Fische

Das Material

Um die Druckzeit sinnvoll zu nutzen, fuhren wir im nächsten Schritt mit einer bereits erstellten Ködergussform fort. Der Stoff, aus dem die Köder erstellt werden sollten, nennt sich „Plastisol“. Wir empfehlen hierzu die Soft-Variante von FlexSols, ein phthalatfreies Material, welches ein wenig umweltfreundlicher ist als viele alternative Produkte auf dem Markt.


Die Arbeitstemperatur

Um es auf die richtige Temperatur von ca. 160°C zu bringen, nutzte Yoschko einfach eine alte Mikrowelle. Zwischendurch unterbrach er den Vorgang immer mal kurz, um die Masse umzurühren und auch, um eine Grundfarbe für den Gummifisch einzurühren. Dabei ist es wichtig, eine sogenannte Weichplastikfarbe zu verwenden, die sich mit dem Plastisol verbindet. Wir entschieden uns für die FlexSols Standard White Plastisolfarbe und damit für eine fesche Weißfisch-Basis.


Safety first

Was die Erhitzungstechnik angeht, kannst du statt der Mikrowelle auch eine magnetische Kochplatte und ein Gefäß mit Rührfisch verwenden, wie manche von uns sie vielleicht noch aus dem Chemie-Unterricht kennen. Wie dem auch sei: Bei allen Erhitzungs- und Colorierungs-Prozessen raten wir dringend an, eine Gasmaske der Schutzklasse A2B2E2K2Hg zu tragen! Mein Kumpel hat zusätzlich auch noch einen Dunstabzug über der Arbeitsfläche installiert, um nicht unnötig viel mit irgendwelchen Dämpfen in Kontakt zu kommen.


In einem Guss

Schließlich begann Yoschko, die erhitzte Masse in die Gussform zu geben und ich war begeistert, mit welch ruhiger Hand er dabei keinen Tropfen verschwendete! Tatsächlich dauerte es im Anschluss nur wenige Minuten, bis die Fische ausgehärtet waren und aus den Formen herausgelöst werden konnten.


In die Freiheit

Yoschkos Formen sind am Ende des Schwanzes offen und werden mit einer kleinen, losen Metallplatte abgeschlossen, die er nach dem Aushärten einfach wieder wegnimmt. So konnte er an diesem Ende einfach beim Schwanz beginnend zupacken und vorsichtig den gesamten Fisch aus der Gussform lösen.


Schritt 3 – Die Farbgebung

Airbrush

Im abschließenden Schritt folgte dann die Kolorierung. Der Kompressor wurde angeschmissen, um mit Airbrush-Farben Kopf und Schwanz in ein leuchtendes Orange zu bringen. Anschließend wurden die Seiten der Fische schwarz gefärbt. Kleine Teile des Bauches und der hintere Teil des Rückens vor der Schwanzflosse wurden in der Grundfarbe weiß belassen.


Passend zum Spot

Dieses insgesamt sehr dunkel gehaltene Design hatte sich in den hiesigen Zanderrevieren nachts als besonders fängig erwiesen – und genau das war ja unsere anvisierte Zeit für den Ködertest. Der gesamte Fisch wurde dann noch einmal zum Schutz des Dekors mit Klarlack übersprüht.


mit Augenmaß

Die Gussform sieht außerdem 2 kleine kreisrunde Vertiefungen rechts und links vom Kopf vor. Hier positionierte Yoschko nun mit ruhiger Hand und Pinzette die Klebeaugen. In unserem Fall waren es Augen mit 8mm Durchmesser in Gold. Zum Abschluss tunkte er die Köpfe noch einmal in farbloses heißes Plastisol und erzeugte dadurch eine Art Versiegelung, wodurch die Augen merklich länger haften bleiben.


Der krönende Abschluss – Ködertest!

Auf gehts…

Nun war es so weit… Kurz vor Einbrechen der Dunkelheit machten wir uns auf ins 45 Minuten entfernte Angelrevier. Unser Ziel war ein Flusslauf mit Steinschüttung in den Niederlanden. Bei recht niedrigem Pegel, wenig Wasserdruck und schwachem Wind reifte die Entscheidung, die 11,5 – 14cm langen, frisch gegossenen Köderfische an 5 – 7g Jigköpfen zu präsentieren.


Lösungen suchen

Doch zunächst folgte ein herber Rückschlag: Beim Montieren der Ruten bemerkten wir, dass wir in aller Euphorie die frisch gebauten Gummis zuhause hatten liegen lassen. Ein Alptraum! Doch wir hatten Glück im Unglück: Wie im Auto eines jeden Anglers lag natürlich auch bei Yoschko im Kofferraum eine Köderbox als Notreserve. Auch diese enthielt selbst hergestellte, baugleiche Köder, wenn auch nicht in der exakt gleichen Farbgebung. Und so versuchten wir halt einfach damit unser Glück.


Spots finden

Bewaffnet mit unseren selbstgebauten Ködern wagten wir uns in die Dunkelheit der Nacht. Ziel waren die flachen Uferbereiche, an Brücken und Stegen, die für ihre beeindruckenden Zanderbestände bekannt sind. Geduldig starteten wir unseren nächtlichen Ködertest und spürten die Aufregung in der Luft, die nur ein Angler kennt, der dem faszinierenden Zander nachstellt.


Zander fangen

Jeder Wurf war voller Erwartung und Vorfreude auf das unvergleichliche „Tock“ in der Rute. Und Yoschko hatte mir nicht zu viel versprochen. Nachdem die ersten zwei Zander auf sein Konto gingen, durfte auch ich mich schließlich über meinen ersten Stachelritter auf selbst gebauten Gummifisch freuen. Er hatte zwar nur gut 40cm und wurde wieder „zum Großeltern Bescheid geben“ released – nichtsdestotrotz war es ein wirklich schöner Moment!


Am Ende wurden es in gut 2 Stunden 9 Fische, von denen allerdings nur einer mit dem beachtlichen Maß von 65cm ein aus unserer Sicht verwertbares Küchenmaß aufwies. Er landete am Folgetag auf dem Filetierbrett, um anschließend genüsslich mit Bratkartoffeln verspeist zu werden.

Fazit

Es ist in der Tat kein Hexenwerk, mit Leidenschaft, Kreativität und einem gewissen handwerklichen Geschick individuelle Köder entstehen zu lassen. Ein 3D-Drucker und damit verbundene vielfältige Möglichkeiten der Formengestaltung eröffnen eine neue Dimension in der privaten Köderherstellung. Der nächtlichen Ködertest und die erfolgreichen Fangergebnisse waren für mich eine Bestätigung dafür, dass selbstgemachte Köder nicht nur persönliche Befriedigung, sondern auch erfolgreiche Angeltage bringen können. Das Gießen eigener Gummifische bietet eine aufregende Reise für Angelenthusiasten, die ihre Angelköder selbst gestalten und optimieren möchten. Hat es dich geködert? Dann probiere es doch einfach aus und drill dich zum eigenen, individuellen Gummifisch-Design!

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